Neues Deutschland: Berlin, Paris und der Fiskalpakt: Wahlen und Mut zum Streit
Berlin (ots) – Ob die Kanzlerin wohl schon dabei ist, die
französische Übersetzung von »alternativlos« einzustudieren? Ihr
Finanzminister bemüht lieber den lateinischen Spruch: »Pacta sunt
servanda.« Er will damit ebenfalls zum Ausdruck bringen, dass es in
Sachen Fiskalpakt nichts zu verhandeln gibt. In krassem Kontrast zu
diesem Betonanrühren hat nur wenige Tage nach dem Wahlsieg des
Sozialisten François Hollande Betriebsamkeit in Europa eingesetzt.
Schon in zwei Wochen soll ein EU-Sondergipfel stattfinden, auf dem
das Wörtchen »Wachstum« im Mittelpunkt steht. Die Befürworter der
ruinösen Austeritätspolitik, wie sie in den Krisenländern
vorexerziert wird und mittels Fiskalpakt auf den Rest der EU
ausgeweitet werden soll, suchen die Flucht nach vorn. Für sie besteht
die akute Gefahr, dass mit dem Wahlsieg Hollandes in Brüssel und in
den Mitgliedsstaaten die vielen Kritiker des noch nicht ratifizierten
Vertragswerkes, die sich bislang nicht aufzumucken trauten, aus der
Deckung kommen. Dem will man mit der Aussicht auf ein paar
Infrastrukturprojekte entgegenwirken. Ob dies als Köder ausreicht,
muss sich zeigen. Die Frage ist, ob der künftige französische
Präsident wirklich den Streit mit dem mächtigen östlichen Nachbarn
riskiert. Dem Projekt Europa würde es auf jeden Fall gut tun, wenn
öffentliche Diskussionen über alternative Konzepte die bisherige
Gipfelgeheimdiplomatie ablösen würden. Das bisherige Krisenmanagement
führt die EU nur in die Sackgasse – wirtschaftlich, sozial und
politisch.
Pressekontakt:
Neues Deutschland
Redaktion
Telefon: 030/2978-1715