Radikaler Umbruch in Großbritannien: Was bedeutet das für Wirtschaft und Aktienmarkt?

In Europa verändern sich die politischen Landschaften. Dies hat auch Auswirkungen auf die Volkswirtschaft und die Aktien der Unternehmen des jeweiligen Landes. Konstantin Oldenburger, Marktanalyst CMC Markets, hat angesichts der bevorstehenden Wahl in Großbritannien eine Einschätzung zum britischen Aktienmarkt abgegeben.

„Labour übernimmt in London – Was bedeutet das für den Aktienmarkt?

Nach der Wahl ist derzeit vor der Wahl in Europa. Zwischen zwei Wahlgängen in Frankreich sind morgen die Menschen im Vereinigten Königreich aufgerufen, einen neuen Premierminister zu wählen. Haben sich die Franzosen in der ersten Abstimmung klar nach rechts bewegt, dürfte es in London eher nach links gehen. Der Sieg der Labour-Partei ist so gut wie sicher. Doch was bedeutet der auf den ersten Blick radikale Umbruch in Großbritannien für Wirtschaft und Aktienmarkt?

Radikaler Kurswechsel bleibt aus

Nicht viel, schaut man sich die Entwicklung des FTSE 100 nach dem sich in den Umfragen abzeichnenden, historischen Sieg von Labour-Chef Starmer an. Das liegt sicherlich auch daran, dass er angekündigt hat, viele der finanzpolitischen Regeln der Konservativen beizubehalten, um die Glaubwürdigkeit gegenüber Markt und Investoren zu wahren. Damit dürfte der Machtwechsel auch keine radikal andere Wirtschaftspolitik bedeuten, zumindest nicht kurzfristig. Akzente will Labour im knapp vor dem Zusammenbruch stehenden Gesundheitssystem setzen und ein öffentlicher Fonds für Erneuerbare Energien soll ins Leben gerufen werden.

Hohe Schulden, zu wenig Wachstum

Die Wirtschaft des Vereinigten Königreichs im Jahr 2024 ist durch eine hohe Inflation, hohe Lebenshaltungskosten und die anhaltenden Auswirkungen der weltweiten wirtschaftlichen Störungen gekennzeichnet. Der Arbeitsmarkt ist zwar weiterhin stabil, aber die Lohnstagnation und die steigenden Lebenshaltungskosten haben die Haushalte erheblich unter Druck gesetzt. Die jüngsten Einschätzungen zur Lage der Wirtschaft in Großbritannien durch den IWF sind eher deprimierend als positiv. Die Wahlprogramme der Parteien seien ein Hirngespinst, oder wie es in der Sprache des IWF heißt: “Ohne eine wesentliche Steigerung des Potenzialwachstums wird die mittelfristige Stabilisierung der Verschuldung mit Sicherheit einige harte Entscheidungen erfordern.” Die zukünftige Politik muss daher eine Kombination aus höheren Steuern und Kürzungen der geplanten Ausgaben sein, um die Staatsverschuldung mittelfristig zu stabilisieren.

Geldpolitik auch auf der Insel zögerlich

Geldpolitisch bemüht sich die Bank of England weiterhin um ein Gleichgewicht zwischen Inflationskontrolle und Maßnahmen zur Förderung des Wirtschaftswachstums. Eine Zinssenkung im Spätsommer ist im Gespräch. Sie will die Wirtschaftsdaten genau beobachten und sich alle Optionen offen halten, was Zeit und Tempo von Zinssenkungen angeht.

Aktienmarkt hat Brexit-Schock gut verdaut

Was in Großbritannien immer noch nachwirkt und den Tories am Ende auch die Macht gekostet haben wird, ist der Austritt aus der Europäischen Union. Zwar steht auch der britische Aktienmarkt derzeit nur im Schatten des KI-Hypes an der Wall Street, aber den Brexit, der nach dem Referendum im Juni 2016 Realität wurde, hat er mittlerweile gut verarbeitet. Statt Technologie sind in London eher Rohstoff- und Energiewerte sowie Finanztitel kursbestimmend. Mit einem Anstieg von knapp 30 Prozent vor dem Votum hinkt die Performance zwar deutlich hinter vielen Ländern Europas zurück, allerdings ist sie auch keine Katastrophe. Für das laufende Jahr steht bislang ein Plus von sieben Prozent in den Büchern, relativ gleichauf mit anderen europäischen Handelsplätzen.

Nächstes Ziel 10.000 Punkte

Wie könnte es nun weitergehen? Mit dem Ausbruch des FTSE 100 über die psychologisch wichtige 8.000er Marke im April könnte der Weg für weiter steigende Kurse im Jahresverlauf geebnet worden sein. Die lange Seitwärtsphase und das Brexit-Drama sind überwunden und dürften bei egal welcher Regierungskonstellation einem weiteren Anstieg nicht im Wege stehen. Dies unterstellt einen nicht radikalen Kurs der Regierung und die Beibehaltung der demokratischen Prinzipien sowie der Marktwirtschaft. Die 10.000 Punkte sollten nach der langen Durststrecke den nächsten Meilenstein für den FTSE 100 darstellen und letztendlich sowohl den Brexit-Befürwortern als auch den Kritikern Recht geben und wieder einmal zeigen, dass wo ein Wille auch ein Weg ist und sich konstruktive Verhandlungen am Ende immer auszahlen.“

Quelle Einschätzung und Logo: CMC Markets