Konjunkturprognose des HWWI

Schuldenkrise dämpft Konjunkturerholung

Schulden bremsen den wirtschaftlichen Aufschwung. Was bereits von vielen vermutet wurde, ist nun zur Gewissheit geworden. Denn immer wieder muss die Frage gestellt werden: Ist die Finanzkrise schon vorüber, oder stecken wir noch mittendrin? Und: Wie stark wird die Wirtschaft gebremst in ihrem Aufschwung durch die Staatsverschuldung?

„Schuldenkrise dämpft Konjunkturerholung

Das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) hat seine Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland aktualisiert und rechnet für dieses Jahr unverändert mit einer Zunahme des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 1,5 %. Für das Jahr 2011 wird nunmehr ein Wachstum von 1,6 % erwartet.

In diesem Frühjahr war das reale BIP zwar um 1,7 % höher als im Vorjahr, als die Krise ihren Tiefpunkt erreicht hatte, allerdings war es noch um fast 5 % niedriger als Anfang 2008 vor dem Einbruch. Die bisherige Erholung wird vor allem von den Konjunkturmaßnahmen hierzulande und weltweit getragen. Die aktuelle Schulden- und Eurokrise hat allerdings gezeigt, dass die konjunkturelle Erholung nicht ohne Risiken ist.

Nach der  in den ersten Monaten dieses Jahres  wegen des strengen Winters und der Auswirkungen des Auslaufens der Abwrackprämie nur schwachen konjunkturellen Entwicklung zeichnet sich für das zweite Quartal eine deutliche Zunahme des realen BIP ab. Trotz gewisser Erholungstendenzen ist die Konjunktur aber immer noch sehr fragil. Nachdem die Probleme an den Finanzmärkten allmählich unter Kontrolle schienen, hat die Verschuldungskrise aufs Neue gezeigt, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Finanzkrise überwunden ist. Die Perspektiven für die weitere konjunkturelle Entwicklung haben sich so wieder eingetrübt. Das belastet im Moment insbesondere die Eurozone. Um den Euro zu stabilisieren, scheint ein früherer Exit aus der expansiven Finanzpolitik erforderlich zu sein, als es der Konjunktur gut tut, selbst in Deutschland. Auf kürzere Sicht werden die deutschen Exporteure zwar von der Abwertung des Euro profitieren. Auf mittlere Sicht werden aber die Sparprogramme in vielen europäischen Ländern deren Erholung und über die engen Außenhandelsbeziehungen auch die in den anderen Ländern dämpfen.

Angesichts der gedrückten Erwartungen für Europa wird es noch wichtiger, dass die weiter vorangeschrittene Erholung in anderen Teilen der Welt, wie in den Schwellenländern, allen voran China, und auch in den USA, anhält und die europäische Wirtschaft mitzieht.

Für die weitere binnenwirtschaftliche Entwicklung bleibt vor allem die Entwicklung am Arbeitsmarkt von Bedeutung, denn davon hängt maßgeblich der private Konsum ab. Die bislang über Erwarten günstige Beschäftigungsentwicklung lässt hoffen, dass die Unternehmen ihre Belegschaften zu halten bestrebt sind. Allerdings besteht nach wie vor Anpassungsbedarf, der sich bei konjunkturellen Rückschlägen, wie sie für Europa nicht auszuschließen sind, verstärken könnte. Nach der teils „technischen“ kräftigen Erholung im zweiten Quartal dürfte die weitere Aufwärtsbewegung, insbesondere seitens der inländischen Nachfrageaggregate, weniger dynamisch vorangehen. Die Exporte hingegen werden, zumal sich die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Anbieter durch die Euroabwertung erhöht hat, zunächst weiter merklich zunehmen. Alles in allem dürfte das reale BIP im Jahr 2010 um rund 1 ½ % gegenüber 2009 wachsen.

Eckdaten für Deutschland

(Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr)

2007

2008

2009

2010

2011

Bruttoinlandsprodukt1

2,5

1,3

-4,9

1,5

1,6

Private Konsumausgaben

-0,3

0,4

-0,1

-1,1

0,9

Konsumausgaben des Staates

1,7

2,0

3,4

1,6

-0,9

Anlageinvestitionen

5,0

3,1

-9,0

0,9

2,4

Ausrüstungen

11,0

3,3

-20,5

2,0

4,4

Bauten

0,0

2,6

-1,1

-0,5

0,3

Sonstige Anlagen

6,5

5,3

4,9

4,8

4,9

Inlandsnachfrage

1,0

1,7

-2,1

0,1

0,6

Ausfuhr

7,5

2,9

-14,5

8,7

7,2

Einfuhr

4,8

4,3

-9,5

5,8

5,6

Arbeitsmarkt
Erwerbstätige (Inland)

1,7

1,4

0,0

0,0

0,1

Arbeitslose (Mill. Personen)

3,78

3,27

3,42

3,27

3,16

Arbeitslosenquote2 (in %)

8,7

7,5

7,9

7,5

7,3

Verbraucherpreise

2,3

2,6

0,4

1,0

1,5

Finanzierungssaldo des Staates (in % des BIP)

0,2

0,0

-3,1

-4,9

-4,3

Leistungsbilanzsaldo3 (in % des BIP)

7,9

6,7

4,9

6,6

7,4

1 Preisbereinigt. 2 Arbeitslose in % der inländischen Erwerbspersonen (Wohnortkonzept).

3 In der Abgrenzung der Zahlungsbilanzstatistik.

Quellen: Statistisches Bundesamt; Deutsche Bundesbank; Bundesagentur für Arbeit;

2010 und 2011: Prognose des HWWI.

Für 2011 zeichnet sich eine Fortsetzung des Erholungsprozesses ab, allerdings wird das Tempo angesichts des Auslaufens von Konjunkturprogrammen und wegen der Sparmaßnahmen in vielen Ländern gering sein. Das reale BIP wird im Jahresdurchschnitt 2011 kaum stärker zunehmen als in diesem Jahr. Die Beschäftigung dürfte wegen der bestehenden Reserven allenfalls geringfügig ausgeweitet werden. Die Zahl der Arbeitslosen wird bei sinkendem Erwerbspersonenpotenzial etwas zurückgehen. Der Preisauftrieb wird angesichts gestiegener Rohstoffpreise und der Einfuhrverteuerung wegen der Euroabwertung leicht anziehen, bei nur langsam wachsender Nachfrage und noch unterausgelasteten Kapazitäten, aber unterhalb der Stabilitätsmarke von
2 % bleiben.

Bei dieser Wirtschaftsentwicklung wird die gesamtwirtschaftliche Produktion auch Ende 2011 noch um 2 ½ % unter dem letzten konjunkturellen Höhepunkt Anfang 2008 liegen. Die Risiken für eine ungünstigere Entwicklung, als hier beschrieben, sind mindestens so hoch einzuschätzen, wie die Chancen für eine bessere. Zum einen könnte durch die Schuldenkrise und ihre Auswirkungen die konjunkturelle Erholung in Europa stärker gedämpft werden bis hin zum Rückfall in eine Rezession. Aber selbst eine Lösung der aktuellen Schulden- und Währungskrise in Europa beinhaltet kaum überschaubare Risiken. Es stellt sich dann die Frage, wie andere Länder, insbesondere die USA, anschließend dastehen. Würde dann deren Schuldensituation stärker in den Blickpunkt rücken,  könnten auch dort zusätzliche, die Konjunktur gefährdende Sparmaßnahmen erforderlich werden und/oder neue Währungsturbulenzen zwischen Euro und Dollar – dann in die andere Richtung – auftreten. Die Chancen liegen in einer stärker als erwarteten globalen Erholung, die auch die Schuldenproblematik lindern helfen würde.“

Quelle Pressemitteilung: HWWI