Börsen-Zeitung: Explosive Finanzbranche, Kommentar zur Lage im spanischen Bankensektor nach der Verstaatlichung der Finanzgruppe Bankia, von Angelika Engler.
Frankfurt (ots) – Spanien gilt schon lange als Wackelkandidat der
Eurogruppe – doch bisher schrammte das krisengeschüttelte Land an
einem Zusammenbruch vorbei. Die immensen Schieflagen im Bankensektor
könnten diese viertgrößte Volkswirtschaft Europas jetzt aber doch in
die Knie zwingen. Denn die Finanzbranche ist mit der überstürzt
verstaatlichten, viertgrößten Finanzgruppe Bankia noch längst nicht
saniert. Mit Ausnahme der beiden Branchenführer Banco Santander und
Banco Bilbao Vizcaya Argentaria (BBVA) sowie vielleicht noch der
gelisteten Sparkassengruppe Caixabank dürfte kein Institut auf Dauer
diesem explosiven Mix aus Rezession, steigender Kreditausfallrate,
schrumpfenden Geschäftsvolumina und immer höheren Anforderungen an
Kapital sowie Risikovorsorge standhalten.
In Bankia steckt der Staat zunächst 4,5 Mrd. Euro. Weitere 5 Mrd.
Euro könnten noch hinzukommen, wird befürchtet. Doch die gesamte
Branche braucht voraussichtlich bis zu 250 Mrd. Euro, um ihre
Altlasten aus dem Immobilienboom realistisch zu bewerten und mit
robuster Kapitaldecke sowie ausreichender Risikovorsorge dazustehen.
Dabei bereiten nicht nur die Kredite an Immobilienentwickler
Kopfzerbrechen. Private Haushalte und Unternehmen häuften insgesamt
Kreditschulden von 1,8 Bill. Euro an. Dabei sind die Banken und
Sparkassen nicht einmal Spaniens einziges Problem. Die 17 autonomen
Regionen mit ihren zu Boomzeiten aufgeblähten Kosten stellen ein
weiteres Sorgenkind der neuen konservativen Regierung um
Ministerpräsident Mariano Rajoy dar. Erste Regionen wie Valencia
bekommen am Markt längst kein Geld mehr. Der Staat müsste auch hier
in letzter Instanz einspringen.
In die Sanierung der Finanzbranche wollte Rajoy mit Rücksicht auf
den Steuerzahler und das Staatsdefizit ursprünglich keinen einzigen
Euro stecken. Jetzt, wo er sich doch zu Staatshilfen gezwungen sieht
und wohl auch eine Bad Bank auf Kosten der Allgemeinheit einrichten
muss, ist die große Frage: Wie will Spanien das eigentlich alles
bezahlen? Der Riskoaufschlag nähert sich dieser Tage seinem
Allzeithoch und treibt die Zinskosten in unbezahlbare Höhen.
Internationale Experten sehen das Land schon unter den Fittichen der
Europäischen Union und des Internationalen Währungsfonds. Spaniens
Tage scheinen tatsächlich gezählt. Es wäre nur schade für Rajoys
Regierung: Im Unterschied zu den sozialistischen Vorgängern bemüht
sie sich schließlich ernsthaft um einen Richtungswechsel.
(Börsen-Zeitung, 11.5.2012)
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