Investieren wie ein Förster – Stephan Philipp im Interview
Vor Kurzem veröffentlichte Stephan Philipp sein Buch „Investieren wie ein Förster“. Es liefert die Grundlagen dazu, wie eine Geldanlage nach den Prinzipien der Forstwirtschaft aussehen kann. Ein sehr guter Grund, ein Interview mit Herrn Philipp zu führen.
Herr Philipp, Sie sind Investor. In allererster Linie aber Förster. Ihr Buch „Investieren wie ein Förster“ fasst beide Bereiche auf spannende Weise zusammen. Wie sind Sie auf die Idee für diese Buchprojekt gekommen? Und wie kam der Kontakt zum FinanzBuch Verlag, der Ihr Buch veröffentlicht hat, zustande?
Der Wald ist meine berufliche Passion und die Börse meine private Leidenschaft. Zu beiden Themen gibt es leider bei vielen Menschen völlig falsche Vorstellungen und dabei viele Gemeinsamkeiten. Durch die Verknüpfung, die nur auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheint, wollte ich die Menschen neugierig machen sich mit beiden Bereichen zu beschäftigen und eine andere Sicht zu bekommen. Da ich selbst seit vielen Jahren Bücher des FinanzBuch Verlags lese und schätze, war er die erste Wahl, um mein Manuskript einzureichen. Ich bin dankbar, dass man sich dieses ungewöhnlich erscheinenden Themas angenommen hat. Meines Wissens ist es damit das erste Buch weltweit zu diesem Thema.
Im Untertitel Ihres Buches heißt es „Was man vom Wald für die Börse lernen kann – Geldanlage nach den Prinzipien der Forstwirtschaft“. Was ist für Sie die wichtigste Botschaft in Ihrem Buch?
Dass es wichtig ist, den Wald zu bewirtschaften und auch sein eigenes Geld. Und dass man damit eben auch einen Mehrwert für die Allgemeinheit erbringt. Und dass man sowohl das Ökosystem Wald in seiner Multifunktionalität schätzen lernt wie auch erkennt, dass Börse nichts Langweiliges und Trockenes ist, sondern großen Spaß machen kann und zu einem breiten Allgemeinwissen führt.
Sie sind im höheren Forstdienst und haben nicht nur in München, sondern auch in Seoul studiert. Wie hat diese Zeit in Südkorea Sie als zukünftiger Förster, aber auch als Investor „geprägt“?
Die koreanischen Wälder wurden im Zuge der japanischen Besatzung großflächig kahlgeschlagen und anschließend wieder aufgeforstet. Sie werden sehr geschätzt. In Korea hat der Wald noch weit mehr als bei uns eine wichtige Erholungsfunktion, insbesondere in der harten Leistungsgesellschaft in einer Zehn-Millionen Stadt wie Seoul. Ich habe immer gerne über den Tellerrand hinausgeschaut und war von Ostasien tief beeindruckt. Die Höflichkeit der Menschen, die Disziplin und der Ehrgeiz haben zu einem rasanten Wirtschaftswachstum geführt. Wohingegen bei uns gute Schüler und Schülerinnen als „Streber“ verspottet werden sind sie in Korea sehr angesehen.
Im Konfuzianiusmus gilt Bildung als ein hohes Ideal. Auch wird Alter wertgeschätzt, so sehr, dass man sich künstlich älter macht und die Zeit im Mutterleib dazuzählt – ganz anders als hier, wo es eine Beleidigung ist, nur danach zu fragen. Daher glaube ich auch, dass man unbedingt in der Region investiert sein sollte. ETFs bieten hier eine gute Möglichkeit, um breit gestreut in exotische Volkswirtschaften zu investieren. Im Wald sind wir durch den Klimawandel auch auf der Suche nach exotischen Baumarten, die wir in unsere Ökosysteme integrieren können. Hierzu gibt es bereits viele Versuchsanbauten und Forschungsprojekte.
„Ökonomie und Ökologie sind kein Widerspruch“ heißt eines der Kapitel in Ihrem Buch. Es gibt sicher so einige Investoren, die Ihnen widersprechen würden. Weil sich mit Nachhaltigkeit und Kampf gegen den Klimawandel vermeintlich kein Geld verdienen ließe, sondern es nur kosten würde. Was würden Sie zu solchen Anlegern sagen?
Die Forstwirtschaft beweist seit über 300 Jahren, dass dem so ist. Sie hat diesen Begriff, der heute fast schon inflationär gebraucht wird, erfunden. Und nicht aus moralischen Motiven, sondern der puren Not geschuldet den Holzbedarf einer wachsenden Bevölkerung bei zunehmender wirtschaftlicher Entwicklung bedienen zu können. Viele Menschen glauben es wäre schlecht, wenn man Bäume fällt. Dabei gewinnt man dadurch nicht nur einen vielseitig einsetzbaren regional erzeugten und nachwachsenden Rohstoff, der sogar eine positive CO²-Bilanz haben kann, sondern tut auch dem Wald etwas Gutes. Man steuert die Baumartenmischung, stabilisiert den verbleibenden Bestand und erhöht die Biodiversität. Unsere Schutzwälder könnten ihre wichtige Funktion ohne Bewirtschaftung vielfach gar nicht erfüllen.
Umfragen haben belegt, dass Erholungssuchende bewirtschaftete Wälder weit attraktiver empfinden als Urwälder. Auch in der Wirtschaft kommt man an der Nachhaltigkeit nicht vorbei und nicht primär, weil Konsumenten es fordern, sondern aus ökonomischen Überlegungen. Rohstoffe werden teurer und die externen Kosten zunehmend bepreist. Gerade durch Innovation und neue Entwicklungen werden ja Umweltprobleme gelöst. Ein Beispiel ist die Chemieindustrie. In den 1970 er Jahren waren unsere Flüsse giftige Kloaken und heute schwimmt der Lachs im Rhein. Nachhaltigkeit hat -was viele vergessen- drei Dimensionen.
Eine ökologische, aber auch eine soziale und wirtschaftliche. Auf Dauer kann nur erfolgreich sein, wer seine Mitarbeiter, also die immer bedeutender werdenden „Human Resources“ an sich bindet, Kunden und Kundinnen nicht vergrämt und im Wettstreit um knapper werdende Rohstoffe innovative Produktionsverfahren anwendet. Es ist der derzeit wichtigste Selektionsfaktor für Unternehmen ökologisch zu produzieren, wenn man es evolutionär betrachtet. Und wer verdient mehr Geld? Derjenige der wenig Rohstoffe benötigt, um ein Produkt herzustellen und wenig Kohlendioxid ausstößt, oder derjenige, der weitermacht wie bisher?
Sie investieren nicht nur in deutsche Aktien, sondern auch an internationalen Börsen. Was ist für Sie die wichtigste Richtschnur bei Ihren Anlagen? Und wann gehen Sie auf „Buy“ oder „Sell“ einer Aktie oder anderer Investitionen?
Am wichtigsten ist für mich, dass ich das Geschäftsmodell interessant finde. Dann kaufe ich manchmal eine kleine Position von Firmen, die ich noch nicht im Depot habe. Auch kaufe ich gerne zu, wenn es Übertreibungen nach unten gibt. Grundsätzlich kaufe ich aber – und so wird es ja auch eigentlich von allen wirklichen Börsenexperten empfohlen- einfach regelmäßig bei breit streuenden ETFs zu. Auf Sell drücke ich äußerst selten. Zuletzt bei russischen Aktien – auch aus nicht rein ökonomischen Überlegungen.
Von Null auf 100 zur ersten Million. Das wird unerfahrenen Anlegern gerne verkauft, inzwischen vor allem in unsäglich schlecht gemachter Werbung vor YouTube Videos. Ihr Buch „Investieren wie ein Förster“ ruft zum Gegenteil auf, zur Langsamkeit bei dem Aufbau des eigenen Depots und zum langem Atem beim Geld verdienen mit Aktienanlagen und anderen Investitionen. Was raten Sie Sparern, die in die „Fänge“ solcher doch recht dubiosen „Finanzgurus“ geraten sind?
Das Schlimme ist, dass viele auf derartige Dinge hereinfallen und dann denken das sei „die Börse“. Ich denke, dass man an der Börse nicht „reich“ wird und das auch gar nicht anstreben soll. Es ist einfach eine sehr lukrative Form sein Geld zu investieren bei der man es selbst in der Hand hat, wo man es anlegt. Viele die solche Erfahrungen machen werden es zu Beginn ihrer Börsenlaufbahn mit kleinen absoluten Summen erleben müssen. Von daher würde ich dazu raten einfach neu zu Beginnen und vielleicht mehr zu lesen und weniger reißerische Videos anzuschauen. Ein sehr gutes Buch ist zum Beispiel die Biografie von Warren Buffet.
An dem Faktor Zeit wird man nichts ändern können. Im Waldbau lernen wir Forstleute Geduld. Die von uns gepflanzten Bäume wird die übernächste Generation ernten und so sollte man auch an den Depotaufbau herangehen. Dann wird man über die Jahre ein ansehnliches Depot aufbauen können, welches ein immer wichtigerer Baustein der Altersvorsorge ist.
Die Ukraine-Krieg tobt, die Aktienkurse fallen immer wieder und nicht nur die Börsen sind in heftiger Bewegung . Es gibt nicht wenige Anleger, die deswegen ihre Aktien abstoßen. Wie bewerten Sie eine solche Zeit für sich persönlich als Investor – und was würden Sie anderen Anlegern in dieser Zeit raten?
In solchen Zeiten stehen für mich andere Dinge im Vordergrund als meine Aktien. Dennoch muss man sich natürlich auch damit beschäftigen. Ich habe zum ersten Mal in meinem Leben Aktien verkauft, weil ich mit den Unternehmen aus moralischen Gründen nicht mehr verbunden sein wollte, es aber sofort reinvestiert. Grundsätzlich sind solche Zeiten eher Chancen, denn Börsen neigen immer zu Übertreibungen, auch und gerade nach unten.
Die Geschichte hat gezeigt, dass sich die Wirtschaft immer erholt hat. Seien es die Weltkriege, Pandemien, Naturkatastrophen, Finanzkrisen, Terroranschläge oder was auch immer. Die Weltwirtschaft läuft stetig aufwärts. Die Menschheit wächst und die Produktivität steigt. Wer sich mit den Börsen beschäftigt ist daher auch grundsätzlich ein Optimist. Wer Geld über hat, dass er nicht in den nächsten Jahren braucht, sollte breit streuende ETFs oder Blue Chips, von denen er überzeugt ist, zukaufen. Ansonsten würde ich einfach gar nichts tun – in der Vergangenheit ist man damit gut gefahren.
Bereits die Pandemie hatte zu einem Anstieg der Inflationsrate geführt. Der Krieg in der Ukraine mit allen seinen Folgen auch für die globale Wirtschaft treibt die Inflation in fast atemraubenden Tempo in eine neue Höhe. Schon seit Jahren sind normale Spareinlagen kaum mehr das Papier wert, aus dem sie abgeschlossen werden. Was raten Sie Einsteigern, die bisher über das Sparbuch und / oder das Tagesgeld oder Festgeld nicht hinausgekommen sind?
Es wird Sie nicht überraschen, dass ich natürlich zu Aktien raten würde. Mit meinem Buch wollte ich vielen Menschen auch die Augen öffnen, dass es sich bei Aktien ja gerade auch um Sachwerte handelt. Es ist unglaublich, aber großen Teilen der Bevölkerung ist dies nicht bewusst. Die großen Konzerne in unserem Land haben vielfach zwei Weltkriege, Hyperinflationen und Währungsreformen durchgemacht und sind immer noch da. Anders als die Reichsmark oder manche Immobilie, die z.B. im Krieg zerstört wurde. Vielfach wird das Feindbild von bösen Großkonzernen geschürt, die immense Gewinne machen. Was dabei aber regelmäßig verschwiegen wird – jeder kann sich an diesen Gewinnen über Aktien beteiligen.
Der Aktienmarkt hat in den letzten guten 70 Jahren viele Krisen gesehen. Und auch bewältigt. Dies bestätigt Ihre These, dass eine Anlage auf lange Sicht die bessere Wahl ist. Doch im Wald wie auf dem Aktienmarkt haut es immer wieder auch Bäume weg. Dies haben die Orkane im Februar gezeigt, die regelrechte Schneisen in die Wälder rissen. Allein in den Wäldern in Mecklenburg-Vorpommern gab es einen Schaden von mehr als 100.000 Bäumen.
Auf dem Aktienmarkt haben wir Ähnliches erlebt. Der Zusammenbruch der Neuen Marktes, der ja nach wie vor viele deutsche Anleger davon abhält, in Aktien und Fonds zu investieren. Der Skandal um Wirecard, der auch dazu führte, dass die Wirecard Aktie seit Mitte November 2021 nicht mehr an der Börse gehandelt wird und die heute inzwischen fast wertlos ist. Wie können Anleger Ihrer Ansicht nach vermeiden, dass es in ihrem Depot zu solch dramatischen Ausfällen kommt? Das sind ja Totalverluste, die mehr als nur ein paar Prozent Minus ausmachen.
Es ist kein Geheimnis, dass die Risikostreuung durch Diversifikation eines Portfolios eine der wichtigsten Börsenregeln ist. Dennoch wird dies auch von vielen erfahrenen Anlegern nicht beachtet. Und dann führen derartige Erlebnisse dazu, dass man die Börse als Casino bezeichnet und diesen Eindruck weitervermittelt. Es gab leider derartige Fälle, auch wieder bei Wirecard, wo Menschen all ihr Geld auf ein Unternehmen gesetzt hatten. Dies ist für die Medien auch eher interessant als ein „normaler“ Anleger mit ETF Sparplan und wird daher gerne gezeigt.
Es gibt auch heute noch Waldbesitzer, welche in unpassenden Lagen Fichtenreinbestände pflanzen. Der Großteil setzt aber auf strukturierte Mischwälder welche stabil sind. Wenn dann die Fichte durch den Borkenkäfer ausfällt, haben sie noch viele andere Baumarten, die deren Platz einnehmen können. Auch die jungen Anleger, von denen es zum Glück immer mehr gibt diversifizieren Ihre Portfolios. Und dann ist Wirecard halt 1 Prozent Verlust und wird von den Gewinnen der anderen Werte mehr als aufgefangen.
Es gibt nicht wenige Anleger, die Aktienanlagen nicht trauen und lieber andere Wege des Investierens suchen. Vor allem Kryptowährungen sind inzwischen in den Fokus auch vieler unerfahrener Anleger geraten. Was denken Sie über Kryptos wie den Bitcoin? Und halten Sie selbst Coins von Kryptowährungen?
Ich habe aus Interesse eine kleine Position, denke aber, dass Kryptowährungen ähnlich wie Gold ein reines Spekulationsobjekt sind. Man kann damit sicher Gewinne erzielen, aber sie bieten keinen großen Mehrwert wie ein Unternehmen das neue Produkte entwickelt und damit alltägliche Probleme löst. Die dahinterstehende Technologie ist mit Sicherheit interessant. Sie wird etablierten Unternehmen, von denen ich Aktien halte, helfen effizienter zu werden und Gewinne zu steigern, wenn diese sie einsetzen. Wenn Innovationen eingeführt werden, kaufen leider viele blind Unternehmen, die diesen Trend bedienen, ohne deren Geschäftsmodell zu hinterfragen. Das war beim Thema „Internet“ Ende der 1990er Jahre so, wie auch jüngst beim Wasserstoff, oder eben Kryptowährungen. Es gab Beispiele von Unternehmen deren Börsenwert sich stark steigerte, nur weil sie Ihren Namen so änderten, dass er auf die Blockchaintechnologie hindeutete – verrückt.
Im gleichen Zug wie Kryptowährungen ist der Derivate-Handel immer beliebter geworden bei Anlegern, die keine Aktien kaufen und ihr Geld auch sonst nicht fest anlegen wollen. Ein sehr hoher Anteil von Privatanleger verliert beim Handel mit CFDs Geld, bis hin zum Totalverlust. Haben Sie schon mal mit CFDs gehandelt? Und wenn ja, waren Sie erfolgreich darin oder würden Sie eher vom CFD Trading abraten?
Ich habe in meiner Jugend alle Fehler durchlaufen, die man klassischerweise kennt. Auch den CFD Handel habe ich später -sicher auch der aggressiven Werbung geschuldet- ausprobiert. Zum Glück habe ich gleich zu Beginn verloren und daher nur kleine Summen eingesetzt. In speziellen Situationen setze ich auch heute noch Derivate ein, allerdings dann klassische Optionen. Diese sind unter Umständen konservativer als der direkte Kauf einer Aktie. Auch ist es bei Optionen, die man ja mit einem Versicherungsgeschäft vergleichen kann- so, dass beide Seiten einen Vorteil daraus ziehen. Sie haben also einen tieferen Sinn.
Bei CFDs ist der Gewinn des einen der Verlust des anderen. In den USA sind sie meines Wissens nicht zugelassen. Hier kann man wahrlich von „Zockerei“ sprechen. Wichtig ist immer das Risiko genau zu kennen und managen zu können. Das ist eine Parallele zum Waldbau, wo wir im Hinblick auf den Klimawandel verstärkt Risiken managen müssen. Auch ein waldbaulicher Eingriff kann die Arbeit von Jahrzehnten kaputt machen, wenn danach z.B. ein Sturmwurf den gesamten Bestand zerstört. Das ist ein Unterschied zur Landwirtschaft, wo man maximal den Ertrag eines Wirtschaftsjahres verliert.
Last but not least bleibt natürlich eine Frage zu beantworten: Wie sieht Ihr persönliches Depot aus und welche Wertpapiere halten Sie darin am längsten?
Mein Depot spiegelt meine Lebensgeschichte als Anleger wider. Am längsten halte ich zahlreiche deutsche und europäische Blue Chips, welche ich in der Jugend über das Depot meines Vaters gekauft habe. Dann habe ich recht kleine Positionen von Aktien aus aller Welt und inzwischen immer größer werdende Anteile an ETFs. Besonders interessant finde ich den Bereich Biotechnologie. Hier kaufe ich auch sehr spekulative Positionen. Mein Depot wirft inzwischen auch recht ansehnliche Dividenden ab, die allesamt reinvestiert werden. So wie Warren Buffet möchte ich es für die Ewigkeit aufstellen und im besten Fall vererben.
Vielen Dank für das Interview – und für das Schlusswort im Buch!
Christel Weiher von Finanznews-123.de
Stephan Philipps „Investieren wie ein Förster“ ist im FinanzBuch Verlag erschienen.