Swift als Sanktionsinstrument – Kommentar des Konjunkturchefs des IfW Kiel

Die breite Öffentlichkeit wusste bis dieser Tage wohl nicht, was Swift überhaupt ist. Erst der Krieg in der Ukraine hat das Zahlungssystem in den Mittelpunkt gestellt, auch von politischen Entscheidungen. Seit gestern ist klar, Swift wird als Sanktionsinstrument gegen Russland verwendet. Eben wurde der Kommentar des Konjunkturchefs IfW Kiel, Prof. Dr. Stefan Kooths dazu rausgeschickt. Finanznews-123.de bringt ihn im Wortlaut, da er wichtig ist und ich Zitate in dem Fall nur ungern rausreißen möchte:

Russland-Sanktionen: Kühlen Kopf bewahren, Zeit spielt gegen Putin

­Prof. Dr. Stefan Kooths, Vizepräsident und Konjunkturchef des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW Kiel), kommentiert die Diskussion um den Einsatz des Zahlungssystems Swift als Sanktionsinstrument gegen Russland:

„Die militärische Aggression Russlands gegenüber der Ukraine hat ihre höchste Stufe erreicht. Die Begründung, mit dem Swift-Ausschluss des Landes zu zögern, um auf eine weitere Eskalation reagieren zu können, konnte daher nicht überzeugen. Das war schlechte Kommunikation. Dennoch kann es richtig sein, nicht sofort die schärfste Sanktion zu zünden. Denn militärische Macht hängt auf Dauer an relativer Wirtschaftskraft. Kurzfristig würde ein mit der Swift-Blockade ausgelöster Lieferstopp für Gas dem Westen mehr schaden als Russland. Langfristig ist es umgekehrt. Realpolitisch zählt für Sanktionen daher das Timing, nicht der rasche Vergeltungsreflex, so populär er augenblicklich auch sein mag.

Die Zeit spielt für den Westen. Denn die Kosten für den Umbau der Energieversorgung sind höher, je abrupter er erfolgen muss, beziehungsweise niedriger, je länger noch Gas fließt. Ein sofortiger Lieferstopp würde der Ukraine in der momentanen dramatischen Lage so oder so nicht helfen. Der Westen hilft der Ukraine nicht, indem er sich schwächt, sondern indem er sich stärkt und Russland wirtschaftlich in die Knie zwingt. Kosten nur um des Opfers willen einzugehen, erinnert mehr an Ablasshandel als an strategische Politik. Eine solche „Solidarität“ brächte der Ukraine nichts

Russlands Angriffskrieg war offenbar von langer Hand vorbereitet. Sanktionen können das nicht über Nacht ausbremsen, sondern wirken nur mit der Zeit. Entscheidend für den Rückzug Russlands wird das wirtschaftliche Kraftgefälle sein. Darauf muss der Einsatz der Sanktionen hinwirken. Swift ist ein Platzhalter für die Isolation Russlands von weiten Teilen der Weltwirtschaft – insbesondere im Rohstoffhandel. Hierzu gäbe es auch andere Mittel, insbesondere sekundäre Sanktionen, die Geschäfte mit Russland toxisch machen, unabhängig davon, ob die Zahlungen noch technisch abgewickelt werden können oder nicht.

Die Wirtschaftsleistung des Westens (USA, Vereinigtes Königreich, Japan, EU) übertrifft die russische um das Zehnfache. Das bedeutet: Für jeden Prozentpunkt des Bruttoinlandsprodukts, den der Westen für das Militär verausgabt, muss Russland 11 Prozentpunkte mobilisieren, um gleichzuziehen. Putin mag sich heute stark fühlen, weil ihm der Westen bei seiner schroffen Aggression nicht sofort in den Arm fällt. Tatsächlich sägt er selbst am stärksten an dem Ast, auf dem er sitzt. Er macht sein ökonomisch schwaches Land nun noch schwächer. Rohstoff-Oligarchen sind willige Gefolgsleute, das Land bringen sie nicht voran. Globale Desintegration, unproduktive Kriegsausgaben und politische Repression tun ihr Übriges. Putin sät damit die Saat, um sein neues Großreich ökonomisch implodieren zu lassen. Lehrstücke liefert ihm die eigene Geschichte.“

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